Interview BM Martin Mertens
Herr Mertens, heute feiern Sie Ihren 41. Geburtstag, Ende Juni waren Sie neun Jahre als Bürgermeister im Amt. Haben Sie schon einmal Anzeichen von Amtsmüdigkeit an sich bemerkt?
Urlaubsreif habe ich mich sicher schon mal gefühlt, doch amtsmüde war ich bisher noch nie. Dafür ist die Aufgabe als Bürgermeister einfach zu abwechslungsreich und spannend.
In welcher Hinsicht?
Man hat es täglich mit unterschiedlichen Aufgaben und sehr verschiedenen Menschen zu tun. Daran habe ich nach wie vor große Freude, und das Spannende ist halt wie beim Fußball, dass man nie weiß, wie es ausgeht – bisher ist es glücklicherweise immer gelungen, die Dinge zu einer guten Lösung zu führen. Daran wollen wir auch weiterhin gemeinsam arbeiten, als Verwaltung und Politik.
Wie bewerten Sie die Zusammenarbeit im Rat?
Es freut mich, dass wir bei allen sonstigen politischen Unterschieden auf kommunaler Ebene stets große Mehrheiten zustande bringen, die sich am Wohl der Gemeinde orientieren und nicht auf lokaler Ebene die Bundespolitik „nachspielen“ oder kopieren wollen.
Sie haben bei verschiedenen Gelegenheiten deutlich gemacht, ab 2025 für weitere Amtszeit als Bürgermeister zur Verfügung zu stehen. Wann erklären Sie offiziell ihre Kandidatur?
Dann, wenn es soweit ist und wenn die Mitglieder meiner Partei das dann auch wollen. Aktuell sind es noch mehr als zwei Jahre bis zur Kommunalwahl und es gibt noch eine Menge zu tun. Ich sehe da derzeit keine Eile, irgendwas zu erklären.
Welche Aufgaben sind für Sie aktuell die wichtigsten?
Nicht nur ganz aktuell, sondern noch für etliche Jahre wird der Strukturwandel im Mittelpunkt stehen. Die Zeit bis zum Aus für die Braunkohle 2030 wird immer knapper und bislang gibt es relativ wenig Konkretes, welche Art von Betrieben und Unternehmen dann für die Arbeitsplätze sorgen können, die durch das Ende des Braunkohletagebaus wegfallen. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass dies allein der Dienstleistungssektor bewerkstelligen kann. Der frühere NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück hat bei einem Besuch im Kraftwerk Neurath schon vor vielen Jahren sehr pointiert festgestellt, dass es auch künftig in der Region eine Wertschöpfung geben muss, die sich nicht dadurch gewährleisten lässt, dass wir uns alle gegenseitig die Haare schneiden. Das war lange, bevor der Ausstieg aus der Braunkohle feststand und ist eine Warnung, die heute umso dringlicher gilt. Der zu entwickelnde Kraftpark Nordrevier ist dabei ein zentrales Element für eine zufriedenstellende Lösung. Zeitgleich arbeiten wir an der Energiewende mit Hochdruck.
Wie sehen Sie die Chancen, dass sich hier zu-friedenstellende Lösungen ergeben?
Von selbst geschieht hier gar nichts, es bedarf noch harter Arbeit, um dieses Ziel zu erreichen. Als kleinere Kommune können wir da kaum etwas im Alleingang schaffen, aber im Rahmen unserer Möglichkeiten Druck zu machen und die gute Vernetzung zu nutzen, ist unsere Pflicht.
Auf welchen Gebieten?
Zunächst einmal in Sachen Infrastruktur: Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass sich viele der Unternehmen, die sich seit der Jahrtausendwende in Rommerskirchen angesiedelt haben, dabei nicht zuletzt auch die gute Verkehrsanbindung im Blick hat-ten. Dies muss auch weiterhin gelten und fortgeschrieben werden. Im Klartext: Der Bau der B 477n und die S-Bahn-Anbindung sind überfällig. Und ich nerve damit regelmäßig Politiker in Land und Bund.
Stichwort ökologische Wende: Was plant die Gemeinde in dieser Hinsicht?
Wir haben in den vergangenen Monaten die Zahl der öffentlichen Ladesäulen für E-Mobilität erheblich ausgebaut, weitere folgen. Darüber hinaus gab es zuletzt eine Reihe von Fördermöglichkeiten, etwa zur Dachbegrünung. Der Ausbau von Windenergie und Photovoltaik schreitet voran. Sicher ist hier noch Luft nach oben. Wir müssen aber bei allen Schritten auch darauf achten, dass die hier gewählten Maßnahmen von den Bürgerinnen und Bürgern auch mitgetragen werden. Eine ökologische Wende gegen eine Mehrheit der Bevölkerung wird nicht gelingen. Diese Einsicht wünsche ich mir übrigens in Berlin und Düsseldorf auch.
Welches war in den vergangenen Jahren ihre negativste, welches Ihre positivste Erfahrung?
Als ich im Mai 2014 gewählt wurde, hätte ich mir niemals vorstellen können, einmal als Bürgermeister mit den Folgen einer weltweiten Pandemie, die einer Flutkatastrophe in unmittelbarer Nachbarschaft und die eines Krieges in Europa umgehen zu müssen. So schlimm all diese Ereignisse waren und sind, so sehr hat mich doch jeweils die Hilfsbereitschaft und das Miteinander gefreut: Man hilft sich und anderen bei uns in Rommerskirchen. Das macht mich stolz. Und das gibt Hoffnung auch in schwierigen Zeiten.